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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 3 K 27/08
Rechtsgebiete: KraftStG, StVZO


Vorschriften:

KraftStG 2002 § 1 Abs. 1 Nr. 1
KraftStG 2002 § 3c Abs. 1 S. 1
StVZO § 47 Abs. 3a
Eine nachträgliche technische Verbesserung im Sinne von § 3 c Abs. 1 Satz 1 KraftStG liegt nur vor, wenn der PKW nach seiner Erstzulassung mit einem Rußpartikelfilter nachgerüstet wird
Finanzgericht Schleswig-Holstein

3 K 27/08

Kraftfahrzeugsteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 29. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte Personenkraftwagen.

Der Kläger erwarb Anfang Dezember 2006 einen Pkw (Neuwagen) der Marke Honda. Das Fahrzeug besitzt einen Dieselmotor und wurde ab Werk in serienmäßigem Zustand ohne Rußpartikelfilter ausgeliefert. Auf Bestellung des Klägers baute sein Honda-Vertragshändler am 5. Dezember 2006 einen Rußpartikelfilter des Herstellers "Twin-Tec" mit der Partikelminderungsstufe PM 3 in das Fahrzeug ein. Das Fahrzeug wurde am 8. Dezember 2006 erstmals mit dem amtlichen Kennzeichen ... auf den Kläger zugelassen.

Der Kläger beantragte am 25. Juli 2007 beim Beklagten die Erteilung einer Steuerbefreiung für besonders partikelreduzierte Personenkraftwagen nach § 3c des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG).

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Oktober 2007 ab, weil das Fahrzeug des Klägers bereits vor der Erstzulassung mit einem Rußpartikelfilter ausgerüstet worden sei und das Gesetz eine Nachrüstung fordere. Der dagegen vom Kläger am 2. November 2007 erhobene Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2008 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 13. Februar 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 c KraftStG vorlägen. Sein Fahrzeug sei vor dem 31. Dezember 2006 zugelassen worden. Der eingebaute Rußpartikelfilter erfülle die gesetzlichen Anforderungen und stelle eine nachträgliche technische Verbesserung im Sinne des Gesetzes dar. Dieses differenziere nach dem Wortlaut nicht danach, ob die Nachrüstung vor oder nach der Erstzulassung erfolgt sei.

Nach dem Willen des Gesetzgebers solle auch für Neufahrzeuge ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, das Fahrzeug so zu verbessern, dass es einen möglichst geringen Partikelausstoß aufweise. In der Gesetzesbegründung sei nicht die Rede davon, dass die steuerliche Förderung nur dann gewährt werden solle, wenn die Nachrüstung nach der Erstzulassung erfolge. Das gesetzgeberische Ziel der Minimierung gesundheitlicher Gefährdungen könne nur dann wirksam erreicht werden, wenn das Tatbestandsmerkmal "nachträglich" extensiv dahingehend ausgelegt werde, dass darunter auch eine Nachrüstung nach Auslieferung des Fahrzeugs ab Werk verstanden werde. Die Formulierung "im Verkehr befindliche Fahrzeuge" in den Gesetzgebungsmaterialien meine solche Fahrzeuge, die bereits ausgeliefert worden seien, die sich somit im (Handels-)Verkehr befänden. Bei einer anderen Auslegung sei von einer planwidrigen Regelungslücke des Gesetzgebers auszugehen, zumal bei einer Nachrüstung nach Erstzulassung zusätzliche Zulassungkosten entstünden.

Abgrenzungsschwierigkeiten bestünden nicht, weil im Einzelfall feststellbar sei, ob ein Filter auf Kosten des Kunden nach der Auslieferung eingebaut worden sei. Die weiteren tatbestandsbeschränkenden Merkmale in § 3c KraftStG belegten nicht, dass der Gesetzgeber für die Steuerbefreiung an die straßenverkehrsrechtliche Zulassung angeknüpft habe. Sie sollten lediglich sicher stellen, dass nur Fahrzeuge jüngeren Baudatums steuerlich gefördert würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten zu verpflichten, ihm für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 18. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2008 eine Steuerbefreiung von 330 EUR gemäß § 3c Abs. 1 KraftStG zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, dass das Gesetz eine Nachrüstung nach der Erstzulassung des Fahrzeuges voraussetze.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Kraftfahrzeugsteuerakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 18. Oktober 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2008 ist rechtmäßig. Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen des § 3c Abs. 1 KraftStG nicht vorliegen.

Nach § 3 c Abs. 1 KraftStG ist das Halten von besonders partikelreduzierten Personenkraftwagen mit Selbstzündungsmotor befristet von der Steuer befreit, wenn das Fahrzeug in der Zeit vom 01. Januar 2006 bis zum 31. Dezember 2009 nachträglich technisch so verbessert wird, dass es einer

1. der Partikelminderungsstufen PM 1 bis PM 4 nach § 47 Abs. 3a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September 1988 (BGBl. I S. 1793), die zuletzt durch Art. 437 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist,

2. der Partikelminderungsstufen PM 01, PM 0 oder der Partikelminderungsklassen PMK 01, PMK 0 bis PMK 4, sobald dafür die Voraussetzungen in der Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung geregelt und in Kraft getreten sind, entspricht. Die Steuerbefreiung wird nur für Personenkraftwagen gewährt, die bis zum 31. Dezember 2006 erstmals zugelassen wurden. Sie beginnt an dem Tag, an dem nach Feststellung der Zulassungsbehörde die Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Die Steuerbefreiung endet, sobald die Steuerersparnis auf der Grundlage des jeweiligen Steuersatzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG den Betrag von 330 EUR erreicht hat. Sie wird für jedes Fahrzeug nur einmal gewährt.

Das Fahrzeug des Klägers wurde zwar am 08. Dezember 2006 und damit bis zum 31. Dezember 2006 erstmals zum Verkehr zugelassen. Es wurde aber nicht nachträglich technisch so verbessert, dass es einer der im Gesetz angeführten Partikelminderungsstufen oder -klassen entspricht. Eine nachträgliche technische Verbesserung im Sinne von § 3c Abs. 1 Satz 1 KraftStG liegt nur dann vor, wenn die Nachrüstung - etwa mit einem Rußpartikelfilter - nach der erstmaligen Zulassung des Fahrzeuges erfolgt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteile vom 10. Januar 2008, 3 K 100/07, EFG 2008, 725; vom 6. Februar 2008, 3 K 167/07, EFG 2008, 726, Revision anhängig BFH II R 15/08; Finanzgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Februar 2008, 2 K 1527/07, StE 2008, 267; Zens, NWB Fach 8, S. 1567, 1569; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 3c Rdnr. 10 Stand September 2007).

Der Begriff "nachträglich" ist auslegungsbedürftig. Der Wortlaut ist nicht eindeutig und lässt mehrere Interpretationen zu. In ihm kommt aber jedenfalls zum Ausdruck, dass Fahrzeuge die bereits ab Werk - das heißt ursprünglich - mit der erforderlichen Partikelminderungstechnik ausgerüstet sind, nicht gefördert werden sollen. Dem Gesetzeswortlaut ist aber nicht klar zu entnehmen, ob sich der Begriff "nachträglich" auf den Zeitpunkt nach der werkseitigen Herstellung des Fahrzeuges oder auf den Zeitpunkt nach dessen Erstzulassung bezieht. Der Wortlaut lässt vielmehr beide Auslegungen zu.

Aus den Gesetzgebungsmaterialien ist allerdings ersichtlich, dass es dem Gesetzgeber um die Schaffung finanzieller Anreize zur Nachrüstung im Verkehr befindlicher - und damit zugelassener - Fahrzeuge geht. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung kann die Partikelbelastung durch Personenkraftwagen mit Dieselmotor dadurch effizient reduziert werden, dass im Verkehr befindliche Fahrzeuge mit moderner Partikelminderungstechnik nachgerüstet werden. Vordringlich sei daher die Nachrüstung von Altfahrzeugen. Die Vorschrift des Kraftfahrzeugsteuergesetzes werde geändert, um steuerliche Anreize für den nachträglichen Einbau von Partikelminderungstechnik in Personenkraftwagen mit Dieselmotor zu schaffen, damit von diesen deutlich geringere gesundheitliche Gefährdungen und Belastungen für die Umwelt ausgingen. Nachgerüstete im Verkehr befindliche Fahrzeuge würden befristet steuerlich befreit, während nicht nachgerüstete zugelassene Fahrzeuge und Neufahrzeuge, die den voraussichtlichen Euro-5-Grenzwert für Partikelmasse (0,005 g/km) nicht einhielten, erhöht besteuert würden (vgl. BT-Drs. 16/4010, S. 1).

Dem Gesetzgeber ging es somit darum, bereits im Verkehr befindliche - und damit zugelassene - Dieselfahrzeuge zu fördern. Dies wird durch die Gegenüberstellung der gesetzgeberischen Konzeption für nachgerüstete im Verkehr befindliche und für nicht nachgerüstete zugelassene Fahrzeuge und Neufahrzeuge, die den voraussichtlichen Euro-5 Grenzwert für Partikelmasse nicht einhalten, deutlich. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Wortwahl "im Verkehr befindlich" der Handelsverkehr gemeint sein könnte, bestehen nicht. Weder mit Partikelminderungstechnik ausgerüstete Neufahrzeuge noch vor ihrer Erstzulassung mit einer solchen Technik "nach"-gerüstete Pkw sollen danach gefördert werden (vgl. auch Strodthoff, a.a.O., § 3c KraftStG Rdnr. 10). Mit Partikelminderungstechnik ausgerüstete Neufahrzeuge und mit einer solchen Technik vor Erstzulassung "nach"-gerüstete Pkw werden nach dem Konzept des Gesetzgebers insoweit steuerlich begünstigt, als auf sie kein Zuschlag nach § 9a KraftStG zu erheben ist.

Die Kraftfahrzeugsteuerpflicht knüpft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG an das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen an. Dies setzt bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen die straßenverkehrsrechtliche Zulassung voraus (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 147, 148, 150/84, BFHE 148, 542, BStBl II 1987, 272). Damit wird auf einen klaren Abgrenzungsmaßstab abgestellt, der auch im vorliegenden Zusammenhang nahe liegt, um das Merkmal "nachträglich" leicht feststellbar zu machen. Wenn hingegen auf die werkseitige Herstellung des Fahrzeuges abgestellt werden würde, kann es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, wie die Ausrüstung mit einem Rußpartikelfilter zeitlich einzuordnen ist, etwa wenn der Filter vom Werk als Sonderausstattung vor der Auslieferung an den Händler oder den Endkunden eingebaut wird.

Dass der Gesetzgeber das Entstehen der Steuerbefreiung mit der vorherigen straßenverkehrsrechtlichen Zulassung verknüpfen will, kommt im Übrigen auch dadurch zum Ausdruck, dass Sie grundsätzlich an dem Tag beginnt, an dem nach Feststellung der Zulassungsbehörde die Voraussetzungen hierfür erfüllt waren. Sie endet, sobald die Steuerersparnis auf der Grundlage des jeweiligen Steuersatzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG den Betrag von 330 EUR erreicht hat (§ 3c Abs. 1 Sätze 3 und 4 KraftStG; abweichende Regelung in § 3c Abs. 2 Satz 3 KraftStG). Eine Steuerbefreiung setzt begrifflich eine Steuerpflicht voraus, so dass sie vor Beginn der Steuerpflicht nicht entstehen kann. Sie würde nach der gesetzlichen Berechnungsmethode jedenfalls teilweise oder sogar ganz ins Leere laufen, wenn sich die Erstzulassung nach der Filterausrüstung beim KfZ-Händler verzögert. Auch dies spricht für die Auslegung des Begriffes "nachträglich", dass damit eine technische Verbesserung des Fahrzeugs nach dessen Erstzulassung gemeint ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



Ende der Entscheidung

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